Vorbemerkung: Keine der neben den Grünen im Bundestag vertretenen Parteien, die in den vergangenen 20 Jahren agrarpolitische Verantwortung im Bund und in den Ländern getragen haben (CDU, CSU, SPD, FDP, PDS/Linke), hat ein Interesse an einer bäuerlichen, familienbetriebenen, mittelständischen Landwirtschaft (bei der AFD wird die Zukunft erst zeigen, in welche Richtung es geht).
Die Grünen haben es geschafft, ein Gefühl, ein Image zu kultivieren, sie verträten eine mittelständische, nachhaltige Landwirtschaft. Dazu hat sicher ihr Einsatz für eine ökologische Landwirtschaft beigetragen, die ursprünglich in bäuerlichen Strukturen erfolgte, heute aber auch schon in industrieller Bewirtschaftung stattfindet, ohne daß dies die Grüne Partei in größerem Maße stört. Zum Image haben ebenfalls einige agrarpolitische Vertreter beigetragen, wie der Bundestagsabgeordnete Ostendorff und der langjährige Europaabgeordnete Gräfe zu Baringdorf, die beide Familienbetriebe bewirtschaften, allerdings versammelten beide keine agrarpolitischen Mehrheiten bei den Grünen hinter sich.
Die tatsächliche agrarpolitische Ausrichtung der Grünen ist eine andere.
Dies konnte man schon in der Zeit sehen, als es eine Grüne Bundeslandwirtschaftsministerin gab, von 2001- 2005, mit Renate Künast. Während dieser Zeit wurden in Ostdeutschland große Teile an landwirtschaftlichen Flächen der bundeseigenen Treuhand/BVVG fast ausschließlich an Großbetriebe und beinahe zum Nulltarif verkauft, bäuerliche Familienbetriebe im Osten gingen weitgehend leer aus (Gerke, 2008, Kap. IV; Gerke, 2012). Lobbyarbeit bei den Grünen für agrarindustrielle Strukturen! Während der Amtszeit von Künast wurden auch die Pläne des damaligen EU- Agrarkommissars Franz Fischler zur Reduktion der EU- Agrarbeihilfen für Großbetriebe allein aufgrund des Widerstandes aus Deutschland, und daß heißt auch aufgrund des Widerstandes von den Grünen, zunichte gemacht. Die aktuelle Grüne Agrarministerin in Sachsen-Anhalt setzt diese politische Lobbyarbeit für Agrargroßbetriebe fort.
Ebenso der neue Vorsitzende Habeck. In dem offenbaren Bestreben eines Schulterschusses mit der Agrarlobby dem Deutschen Bauernverband beteiligte sich dieser nicht nur an einer Podiumsdiskussion der DBV- Landesformation in Niedersachsen, sondern er besuchte auch einen 3.500 ha Betrieb in Brandenburg und einen 3.000 ha Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern. Er setzte damit die unselige Tradition von (Agrar)Politikern fort, im Osten nur Großbetriebe statt mittelständischer Familienbetriebe zu besuchen. Und er stützte die Großbetriebe auf eine besondere Weise. Die Märkische Oderzeitung berichtete über den Besuch von Habeck auf dem 3.500 ha Betrieb und gab in einem Artikel diesem Betrieb ein Podium zum Jammern, nämlich in der Art, daß dieser bisher noch nicht alle gepachteten BVVG-Flächen zu niedrigen Preisen habe kaufen können. Was weder die Betriebsleiter, noch die Zeitung ausgesagt haben ist die Tatsache, daß Betriebe mit einem hohen Anteil von BVVG-Flächen an der Wirtschaftsfläche bisher schon 80% dieser Flächen, teilweise nahe dem Nulltarif kaufen konnten. Die meisten bäuerlichen Betriebe konnten keine Flächen der BVVG kaufen, auch nicht zu überhöhten Preisen, einfach, weil nur die Pächter (Großbetriebe) BVVG- Flächen kaufen durften. Diese Regelung wäre auch tatsächlich heute einer Aufklärung wert, ich vermute jedoch, daß Linke und SPD über die Verpachtung und Privatisierung der landwirtschaftlichen Treuhand/BVVG- Flächen den Mantel des öffentlichen Schweigens belassen wollen.
Habeck hat mit seinem Besuch allein auf ostdeutschen Großbetrieben ein Podium für eine bauernfeindlichen Bodenpolitik gegeben. Die Frage ist dabei möglicherweise, ob er dieses Podium aus Vorsatz (Kollaboration mit der Agrarlobby) oder aus Unkenntnis schuf. Es muß vermutet werden, daß ein Politiker in dieser Position nicht so inkompetent ist, er dann aber mit Vorsatz agierte.
Bisher hat das Agieren der Grünen zugunsten agrarindustrieller Strukturen im Osten ihrem agrarpolitischen Image noch nichts anhaben können. Aber das kann sich ändern!
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