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PD Dr. Jörg Gerke

Entwicklungspolitik online-epo vom 23.10. 2014: Familienlandwirtschaft wird als ein Trugbild und Sch

Anlass für diesen Beitrag auf der epo-Internetseite ist das Motto dieses UN-Jahres, „Family Farming“. Der epo-Beitrag beschreibt nicht nur Familienlandwirtschaft als Trugbild und Schimäre, er unterstellt, daß Familienlandwirtschaft und bäuerliche Landwirtschaft grundsätzlich verschieden sind. Hier wird ein Weltbild aufgebaut, das zur Diskreditierung von Landwirtschaft im Familienbetrieb geeignet ist. Während die Überschrift das Urteil schon gefällt hat, argumentiert der Text gegen die Gleichsetzung von Familienbetrieben und bäuerlicher Landwirtschaft. Dies deswegen, weil auch Großgrundbesitzer Familienlandwirtschaft betreiben und Familienbetriebe in die industrielle Landwirtschaft integriert sind. Die Eigentumsformen sollen nichts über die wesentlichen Aspekte bäuerlicher Landwirtschaft aussagen, so epo. Ist aber der Begriff Familienbetrieb inhaltsleer? Sicher nicht! Es gilt für Familienbetriebe, daß diese in ihrer Selbstständigkeit wirtschaften, nachhaltig über die Generationen hinaus sind und gerade deswegen kurzfristige Gewinnmaximierung gegenüber einem langfristigen guten Auskommen zurückstellen und dies bei Übernahme einer umfassenden wirtschaftlichen Eigenverantwortung durch die Familie. Familienbetriebe sind in den meisten Fällen natürliche Personen. Wenn Familien juristische Personen wie GmbH oder Aktiengesellschaften bilden, wälzen diese gerade die Verantwortung ab und bewirtschaften dann keine bäuerlichen Betriebe mehr. Der Beitrag verschleiert den Sachverhalt, daß auch heute Familienbetriebe das Wirtschaftsmodel für die meisten bäuerlichen Betriebe sind. Der Familienbetrieb erscheint eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die allermeisten bäuerlichen Wirtschaften zu sein. Der Beitrag von epo fasst aber nur sehr vage das, was ein Familienbetrieb ist, ebenso wie er Bäuerlichkeit mit einigen Schlagwörtern abhandelt. Andere Autoren treiben es da noch etwas weiter und charakterisieren bäuerliche Landwirtschaft als „multifunktionale Landwirtschaft“ die nicht mehr an Familienbetriebsstrukturen gebunden ist. Allerdings ist der technische Begriff, ja sogar der subventionstechnische Begriff der multifunktionellen Landwirtschaft für die bäuerlichen Landwirtschaft nicht angemessen, diese zeichnet sich gerade durch die Integration verschiedener Aspekte zu einem Ganzen aus. In welchen Regionen Europas aber nimmt bäuerliche Landwirtschaft nur noch ein Nischendasein ein? Es sind die osteuropäischen Länder, die vor 1990 von der Sowjetunion dominiert, dem COMECON angehörten. Hier wurde, entsprechend dem Sowjetischen Vorbild, nach 1945 die Familienlandwirtschaft im Rahmen einer rigorosen Bauernverfolgung durch Zwangskollektivierung nachdrücklich beseitigt und nach 1990 die Wiedergründung von Familienbetrieben durch die ex-sozialistische Agrarnomenklatura massiv behindert. Die Folge sind heute Großgrundbesitz, Agrarindustrialisierung und teilweise der Verkauf an externe Investoren, was in Art und Umfang in Westeuropa nicht zu finden ist. Eine Studie im Auftrag der Europäischen Statistikbehörde EUROSTAT von 2011 (EUROSTAT 18/2011) bestätigt die Landkonzentration. In den Ländern Ungarn, Bulgarien, Tschechien, Slowakei sind die größten Betriebe des jeweiligen Landes, die 20% der landwirtschaftlichen Nutzfläche bewirtschaften im Mittel über 3.000 ha groß und machen nur zwischen 0,04 und 0,51% der Betriebe aus. In Ostdeutschland gibt es nach dem Ende der DDR ganze Regionen ohne bäuerliche Landwirtschaft verbunden mit einem Ausmaß an landwirtschaftlicher Eigentumskonzentration und Agrarindustrialisierung, das mit den Familienbetriebsstrukturen in Westdeutschland nicht vergleichbar ist. Familienbetriebe bieten die Möglichkeit, aber nicht die Garantie für bäuerliche Landwirtschaft. Der Angriff von epo auf die Familienbetriebe ist so auch ein Angriff auf die bäuerliche Landwirtschaft. Damit steht epo nicht allein. Die Subventionspolitik der EU ist seit 1994 ein Angriff auf die landwirtschaftlichen Familienbetriebe. Und der Angriffspunkt ist die selektive Subventionierung des Großgrundbesitzes in Osteuropa durch die EU-Agrarsubventionen, die die bäuerlichen Familienbetriebe West- und Mitteleuropas schlechter stellt.

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