Dr. Jörg Gerke, Rukieten
Zusammenfassung
„Klimaschutz“ ist erklärtes politisches Ziel der Bundesregierung. Verbunden damit werden „Erderhitzung“ und „Hitzetod“ des Planeten. Dahinter steht die Vorstellung, daß die anthropogen verursachte Erhöhung der Treibhausgaskonzentration von Kohlendioxid, Lachgas und Methan in der Atmosphäre zu einer Erhöhung der Temperaturen auf der Erde führt, die über kurz oder lang den Zusammenbruch der Ökosysteme zur Folge haben wird. Im Folgenden werden die politischen Anstrengungen betrachtet, die Emission der genannten Treibhausgase aus der Landwirtschaft als einem bedeutsamen Emittenten zu reduzieren.
Das Ergebnis der Analyse ist, daß es keine politischen Programme gibt, die Treibhausgasemission aus der Landwirtschaft einzuschränken.
Tatsächlich könnten durch geeignete und im Weiteren beschriebene landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmaßnahmen der Boden zur Senke von Kohlenstoff (C) werden und damit CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Politische Maßnahmen dazu, die über Absichtserklärungen hinausgehen, fehlen. Durch die Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft wird nicht nur die CO2-Freiseztzung aus den Böden gefördert, sondern auch die Lachgasemission gesteigert und der Methanabbau in den Böden reduziert.
Mehr noch, der von den letzten Bundesregierungen geförderte Energiepflanzenanbau auf den Äckern, insbesondere der Anbau von Mais, Raps und Zuckerrübe erhöht noch zusätzlich die Kohlendioxid- und Lachgasfreisetzung aus den Böden. Da der Anbau der Energiepflanzen, ihre Verarbeitung und Distribution selbst hohe Mengen an fossiler Energie, Erdgas und Erdöl benötigt, wird fast so viel fossile Energie eingesetzt, wie die Energiepflanzen letztlich zur Verfügung stellen, als Kraftstoff für KFZ oder als Strom aus Biogas. Hinter dem Energiepflanzenanbau stehen Erdgas und Erdöl. Der Energiepflanzenanbau ist ein wichtiger Treiber der steigenden Treibhausgasemission aus der Landwirtschaft.
Darüber hinaus steht „Klimaschutz“ selbst als ein Aspekt der Nachhaltigkeit notwendigerweise in Zusammenhang mit anderen Nachhaltigkeitsaspekten, vor allem der Nachhaltigkeit bei der Rohstoffbewirtschaftung und der Nachhaltigkeit bei der Vermeidung von für Mensch, Tier und Pflanze schädlichen Substanzen. Beide Aspekte spielen im politischen Diskurs nur noch eine untergeordnete Rolle. Die überragende Bedeutung beider Aspekte für die Nachhaltigkeit wird an Beispielen aufgezeigt.
Einleitung
„Klimaschutz“ ist ein Allerweltswort geworden, für das „Klima“ werden weitgehende Entscheidungen in der deutschen Bundespolitik getroffen. Diese sollen die gesamte Wirtschaft, ja das ganze Land „transformieren“. Den politischen Akteuren um und am „Klima“ wird fast einhellig eine gute Absicht unterstellt, allenfalls wird Realitätsferne und ein Zuviel und zu schnell kritisiert.
Was aber passiert tatsächlich aktuell? Arbeitet die Bundesregierung tatsächlich an dem Schutz des Klimas? Was ist Klimaschutz überhaupt?
Im Folgenden beschränke ich mich auf einen Bereich, die Landwirtschaft, und analysiere die Auswirkungen der politischen Weichenstellungen in Hinsicht auf die zentralen Fragen und stelle den Klimaschutz in den Kontext in den dieser gehört, nämlich in den Kontext einer Betrachtung der Nachhaltigkeit.
Nachhaltige Politik zu betreiben bedeutet, eine langfristige Bewirtschaftung des Planeten und des Lebens der Kreaturen zu ermöglichen.
In Deutschland wurde die Forderung nach Nachhaltigkeit unter den Politikern erstmals von Herbert Gruhl umfassend formuliert. Gruhl, der, aus einem konservativen Umfeld kommend, der bedeutendste Gründer der Umweltbewegung in Deutschland war. Im Jahr 1975 hatte er das Buch veröffentlicht, „Ein Planet wird geplündert“ eine der bis heute detailliertesten Auseinandersetzungen mit nachhaltigem Wirtschaften (Gruhl, 1975).
Gruhl unterscheidet in dem Buch zwei Kategorien von Nachhaltigkeit, energetische Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeit der Rohstoffbewirtschaftung. Dabei schätzte er die nachhaltige Bewirtschaftung der Rohstoffe als das weitaus größere Problem ein.
Nun ist es ein weiter Weg von der Nachhaltigkeit der Energie- und Rohstoffbewirtschaftung zum „Klimaschutz“ heute. Dafür muß die Frage nach der nachhaltigen Rohstoffbewirtschaftung als zweitrangig erklärt werden, ja sogar die gesamte Energiebewirtschaftung auf die Dimension des Klimaschutzes reduziert werden. Historisch war eine der zentralen Ziele der anfänglichen Umweltbewegung die Bekämpfung der Energiegewinnung aus Atomkraft. Als Alternative nachhaltiger Energiegewinnung ergab sich daran anschließend die Gewinnung aus Sonne, Wind und Biomasse. Auch der Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas als Energieträger konnte so tabuisiert werden. Damit aber die Frage nach nachhaltiger Energiegewinnung die treibende Kraft einer sofortigen Transformation wurde, dazu waren weitere, Schritte notwendig. Es wurde von der jetzigen Bundesregierung, aber auch von den Vorgängerregierungen unter A. Merkel ein von den meisten etablierten Medien mitgetragener Trick angewendet. Es wurde der anthropogen verursachte Klimawandel als die aktuell dramatischste Bedrohung aufgebaut, eine Bedrohung, die alle weiteren Umweltprobleme weit überstrahlt, aus Erderwärmung wurde der mediale Hitzetod der Erde. Im Rahmen einer solchen Rhetorik verblassten alle anderen Probleme der Nachhaltigkeit.
Tatsächlich sind aber Prognosen über die zukünftige Temperaturentwicklung auf der Erde in der Zukunft nichts anderes als Ergebnisse von Modellberechnungen, wobei niemand genau sagen kann, wie gut die Modellberechnungen sind. Meteorologen heute nehmen für sich in Anspruch die Durchschnittstemperatur der Erde z.B. in zehn Jahren zu modellieren, sind aber häufig nicht in der Lage, das Wetter in den nächsten Tagen durch Modellierungen zu prognostizieren. Probleme mit der Richtigkeit und Treffsicherheit bei der Modellierung von Naturprozessen sind aber tatsächlich nicht ungewöhnlich. Daß die Diskussion dazu keine seriöse und ergebnisoffene ist, lässt sich aus dem Sachverhalt ablesen, daß Kritiker der Modellberechnungen unter anderem als „Klimaleugner“ diffamiert werden. Damit wird die Klimakatastrophe als nahe erklärt. Und da seriöse ökologische Betrachtungen dann, wenn diese sinnvoll und angemessen sind, ganzheitliche Betrachtungen bedeuten, muß die Balance dieser Betrachtungen außer Kraft gesetzt werden.
Eine nachhaltige Energienutzung gibt es jedoch nur zusammen mit einer nachhaltigen Rohstoffnutzung, die darüber hinaus auch noch die Kontamination der Ökosysteme vermeidet. Wenn Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen kontaminiert werden, gibt es keine Nachhaltigkeit.
Zusammengefasst ist die suggestive Thematisierung und Politisierung des „Klimaschutzes“ ohne den Kontext einer umfassenden Nachhaltigkeitsbetrachtung die zentrale Bedrohung des nachhaltigen Wirtschaftens durch ein technokratisch denkendes und technokratisch organisiertes Politsystem.
Um dies zu erläutern, werden im Weiteren die politischen Maßnahmen zum Klimaschutz, d.h. die Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemission aus einem für die Treibhausgasemission bedeutsamen Bereich, der Landwirtschaft betrachtet.
Klimaschutz wird also sachgerecht als die Reduktion der Emission der drei wichtigsten Treibhausgase, Kohlendioxid (CO2), Lachgas (N2O) und Methan (CH4) operationalisiert. Und es wird im Anschluss betrachtet, welche Auswirkungen die aktuelle „Klimapolitik“ auf die Rohstoffnachhaltigkeit und die Kontamination der Umwelt, also auf die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft insgesamt hat.
Reduziert die Politik der Bundesregierung die Treibhausgasemission aus der Landwirtschaft?
Land- und Forstwirtschaft sind Quelle, zum Teil dominante Quelle der Erhöhung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre.
Die zugrunde liegenden Mechanismen sind kaum über eine Fachdiskussion in einen öffentlichen Diskurs gedrungen.
Kohlendioxid/CO2
Kohlenstoff (C) befindet sich in vier erdoberflächennahen Pools, dem Kohlenstoff vor allem in organischer Bindung in den Böden, dem C, vor allem als CO2 in der Atmosphäre, C, ebenfalls vor allem als gelöstes CO2 in den Gewässern und C in organischer Bindung in der Biomasse in Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Die C- Vorräte in den Böden sind mit Abstand am höchsten, sie sind bei weitem höher, als die C-Mengen in der Atmosphäre und in der Vegetation zusammen (Weber et al., 2018). Das bedeutet, daß schon geringe Veränderungen in den C-Vorräten der Böden weltweit die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stark beeinflussen. Und in der Tat wird seit längeren angenommen, daß ca. 50% der heute höheren CO2-Konzentration der Atmosphäre aus dem Abbau der organischen Substanz aus den Böden stammt (Paustian et al., 1997). Andere wissenschaftliche Quellen gehen von einem noch höheren Anteil des aus dem Boden stammenden Kohlenstoffs an dem Anstieg der CO2-Konzentrationen der Atmosphäre aus (s. dazu den Überblicksartikel von Oertel et al.,2016). Es ist also nicht allein die Verbrennung fossiler Rohstoffe, die vermehrt seit ca. 2 Jahrhunderten CO2 freisetzt, sondern der Abbau der organischen Bodensubstanz ist mindestens gleichwichtig, oder von größerer Bedeutung.
Die Art der Bodenbewirtschaftung der landwirtschaftlichen und auch forstwirtschaftlichen Böden, entscheidet darüber, ob aus den Böden CO2 freigesetzt wird, oder in diesen Kohlenstoff in organischer Form gespeichert wird. Die landwirtschaftlichen Böden machen über 50% der Bodenfläche Deutschlands aus und zusammen mit den Forstflächen werden mehr als 80% der Fläche Deutschlands land- und forstwirtschaftlich genutzt.
Für ein Land wie Deutschland, in dem die aktuelle und auch die Vorgängerregierungen eine vermeintliche Vorreiterrolle beim „Klimaschutz“ beanspruchen, ist die politische Aktivität, die Bodenbewirtschaftung in eine Richtung zu fördern, die eine erhöhte C-Speicherung in diesen Böden zur Folge hat, gering ausgeprägt.
Die Netto-Speicherung von Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden in organischer Form (Humus, Huminstoffe) ist mit einer Reihe von landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen verbunden. Zwei dieser Maßnahmen sind dabei besonders wichtig, zum einen der Einsatz von Stallmist, verrottetem Stallmist oder Stallmistkompost statt dem Einsatz flüssiger Wirtschaftsdünger wie Gülle (Körschens et al., 2014). Die Entwicklung der Landwirtschaft geht aber seit Jahrzehnten genau in die entgegengesetzte Richtung, vom Stallmist weg, hin zur Gülle. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich dieser Trend nochmals beschleunigt. Politische Anstrengungen, diese Entwicklung aufzuhalten und umzudrehen, sind allenfalls marginal.
Die zweite landwirtschaftliche Maßnahme zur Erhöhung der C-Gehalte von Böden und damit der Reduktion der CO2-Konzentration der Luft ist die Einbeziehung C-speichernder Ackerkulturen in die Fruchtfolge. Solche Kulturen sind vor allem (Klee)-Gras oder Klee-Luzerne-Gras Gemenge als Futterbaukulturen.
Die zentrale Frage ist nun: Gibt es politisch eingeführte Programme der aktuellen Bundesregierung, die Festmist und Klee-Luzerne-Gras Gemenge in der Fruchtfolge fördern?
Die Antwort ist: Es gibt sie nicht!
Und selbst im organischen (auch Bio- oder Ökolandbau) Landbau, dessen Begründer in Deutschland und der Schweiz in den 1920er und 1930er Jahren diese beiden Maßnahmen als zentral für die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit angesehen haben, sind die Maßnahmen letztlich heute nur noch fakultativ, nicht mehr verpflichtend. Für den Organischen Landbau sind Luzerne-Klee-Gras Gemenge und Festmist ist kein essentieller Bestandteil der EU- oder der nationalen Regelung in Deutschland.
Die Bundesregierungen sind bis heute in diesem Bereich nicht über eine beauftragte Studie zum Gehalt an organischer Substanz in den Böden hinausgekommen, die ein dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstelltes Institut durchgeführt hat.
Es bleibt festzuhalten: Trotz politischer Bekundungen zum „Klimaschutz“ gibt es keine politischen Anstrengungen weder auf EU- noch auf nationaler Ebene den Beitrag der Landwirtschaft zur Kohlenstoffspeicherung in den Böden zu fördern. Und dies trotz der Tatsache, daß CO2 unter den drei betrachteten Treibhausgasen mit fast 90% an dem Treibhauseffekt beteiligt ist.
Lachgas/N2O
Lachgas ist unter den betrachteten Gasen das zweitwichtigste Treibhausgas. Ähnlich wie beim CO2 sind Lachgasemission und Lachgaskonzentration in der Atmosphäre seit 1800 stark angestiegen. Lachgas hat einen spezifischen Effizienzkoeffizienten der Wirkung als Treibhausgas, der um fast den Faktor 300 höher ist, als der von CO2. Zwischen 60 und 70% der anthropogen verursachten Lachgasemissionen stammen aus der Landwirtschaft (Reay et al., 2012; Wang et al., 2021). Die Gründe für die erhöhten Lachgasemissionen aus der Landwirtschaft liegen in dem drastisch erhöhten Einsatz von mineralischen Stickstoffdüngern, dem zunehmenden Anteil von Gülle (statt Stallmist) bei den Wirtschaftsdüngern, der immer größeren Konzentration der landwirtschaftlichen Tierhaltung und der zunehmenden Bodenverdichtung vor allem durch immer schwerere Maschinen auf Acker und Grünland. Zusammenfassen lassen sich die Ursachen als erhöhte Stickstoffdüngung und als Industrialisierung der Landwirtschaft.
Methan/CH4
Ca. 40% der anthropogenen Methanemissionen stammen aus der Landwirtschaft (Smith et al., 2021; Sirigina et al., 2022). Hauptverursacher der Methanemission aus der Landwirtschaft weltweit sind der Nassreisanbau und die landwirtschaftliche Haltung von Wiederkäuern (Rind, Schaf, Ziege), bei denen das Methan im Pansen entsteht.
Aber! Die Landwirtschaft ist nicht nur Methan-Emittent, sondern landwirtschaftliche Böden bauen Methan ab, dieses wird in den Böden oxidiert. Vergleichbare Prozesse finden auch in Forstböden statt. Nun ist aber die Fähigkeit von Böden, Methan abzubauen, dann eingeschränkt, wenn im Boden eine hohe Konzentration löslicher Stickstoffverbindungen und das heißt vor allem eine hohe Nitratkonzentration vorliegt. Also vor allem dort, wo hohe Mengen an mineralischen Stickstoffdüngern gegeben werden, oder wo, wie in der Umgebung großer industrieller Mastanlagen, hohe Güllemengen appliziert werden, ist die Fähigkeit der Böden, Methan abzubauen, reduziert. Dies betrifft nicht nur hoch gedüngte Acker- und Grünlandböden, auch Forstböden verlieren dann einen Teil ihrer Fähigkeit, Methan abzubauen, wenn beispielsweise größere Mengen an Stickstoff, vor allem Ammoniak aus hoch gedüngten landwirtschaftlichen Böden in die Forstböden eingetragen werden (Oertel et al., 2016).
Um den Methanabbau in land- und auch forstwirtschaftlichen Böden zu maximieren, müssten andere Bodennutzungssysteme als die heutigen in der Landwirtschaft etabliert werden.
Auch hier sind die ursprünglichen Vorstellungen der Pioniere des organischen Landbaus hilfreich. Die Stickstoffversorgung durch langsam im Boden fließende organische Stickstoffquellen aus Mist, Kompost und die organische Substanz im Boden kann das lösliche Stickstoffniveau niedrig halten, die Stickstoffernährung der Pflanzen sicherstellen, und dennoch den Methanabbau im Boden mit hoher Rate erlauben. Außerdem würde durch eine solche Bewirtschaftung der Austrag an Stickstoff aus den landwirtschaftlich genutzten Böden minimiert, damit auch der Ammoniak-Eintrag z.B. in Waldböden minimiert.
Stattdessen konzentriert sich heute in Deutschland eine überforderte, fehlberatene und inkompetente Agrarpolitik auf zwei politische Instrumente zur Reduktion der Methanemissionen aus der Landwirtschaft: die Reduktion des Fleischkonsums und die Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen.
Jedoch sind Schweine und Geflügel keine Wiederkäuer, die in ihrem Pansen Methan bilden. Und die Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen ist eine grundsätzliche Frage, die eher im Kontext der Hungerbekämpfung auf der Erde stehen sollte.
Darüber hinaus sind Wiederkäuer ideal geeignet, um Gras oder Klee zu verwerten und dabei wertvolles Protein und auch für Menschen verdauliches Eisen bereitzustellen. Die Abschaffung von Rindern, Ziegen oder Schafen in Dauergrünlandgebieten würde das Hungerproblem auf der Erde dramatisch verschärfen und das Preisniveau für Lebensmittel gerade für eine arme Bevölkerung erhöhen!
Zwischenfazit
Es lässt sich also zeigen, daß, trotz der hohen Subventionen für die Landwirtschaft und trotz der vermeintlich überragenden Bedeutung des „Klimaschutzes“ für die Bundesregierung, die Reduktion der Emission von CO2, N2O und CH4 aus der Landwirtschaft bei der Nahrungsmittelerzeugung keine Rolle in deren Politik spielt.
Biogas- und Biosprit vom Acker als politisches Instrument, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren?
Die Erzeugung von Energiepflanzen zur Biogas- und Biospritproduktion steht im Zentrum politischer Aktivität, aus „Klimaschutzgründen“.
Wir sahen, daß bei der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion die aktuelle Entwicklung hin zur industriellen Landwirtschaft die Emission von Treibhausgasen befördert. Ein weiterer Schwerpunkt der Agrarpolitik ist die Förderung des Anbaus von Energiepflanzen, zur Erzeugung von Biogasstrom und von Biosprit. Damit soll die Emission von Treibhausgasen reduziert werden. Der Anbau von Energiepflanzen, vor allem Mais zur Erzeugung von Biogasstrom und Pflanzen die Pflanzenöle bereitstellen (z.B. Raps) oder aus denen Alkohole gewonnen werden (z.B. Zuckerrübe und Mais) hat dazu geführt, daß mittlerweile fast 20% der Ackerfläche in Deutschland mit Energiepflanzen bestellt werden. Nun ist aber der Anbau der Energiepflanzen selbst außerordentlich energieintensiv. Beim Anbau von Mais für die Biogasanlagen kann genau so viel an Energie in die Erzeugung und Verarbeitung des Mais investiert werden, wie an Energie in Form von Strom gewonnen wird. Teilweise ist der Energieinput sogar höher, als der Output. Dies betrifft im Kern alle heute angebauten Energiepflanzen. Woran liegt dies?
Mais, Raps und Zuckerrübe benötigen für einen hohen Pflanzenertrag eine hohe Versorgung mit Nährstoffen, vor allem mit Stickstoff. Die Herstellung der mineralischen Stickstoffdünger ist ausgesprochen energieaufwendig. Die Basisverbindung in der Herstellung von Stickstoffdüngern ist Ammoniak (NH3) das chemisch im Rahmen des Haber-Bosch- Verfahrens hergestellt wird. Dieser chemische Prozess, dem weitere Reaktionen zur Düngerherstellung folgen, ist so energieaufwendig, daß rund 5% des weltweiten Erdgasverbrauchs für die Ammoniaksynthese im Rahmen der Stickstoffdüngerherstellung benötigt wird (Smith et al., 2020; Ghavam et al., 2021). Und der Energiepflanzenanbau von Mais, Zuckerrübe und Ölpflanzen wie Raps benötigt besonders hohe N-Düngermengen. Dazu kommen bei der Verarbeitung der Energiepflanzen hohe Energiemengen, die für Transporte zu den Anlagen, den Abtransport der anfallenden Gülle, z.B. Biogasgülle benötigt werden. Je größer die Biogasanlage und je größer die Anlagen zur Erzeugung von Biosprit, desto größer sind die zusätzlich aufgewendeten Energiemengen. Schließlich sind auch die benötigten Prozessenergien, z.B. das Zerkleinern/Häckseln des Mais für die Biogasanlagen sehr energieaufwendig.
Polemisch, aber sachlich richtig formuliert bedeutet dies, daß hinter jeder Mais-basierten Biogasanlage ein konventionelles Gaskraftwerk steht. Wenn die Prozesswärme für Fernwärmesysteme benutzt wird, stellt sich die energetische Bilanz etwas günstiger dar, an den prinzipiellen Defiziten ändert sich nichts. Und wenn statt der Vergärung von Mais nur Gülle, eventuell mit Stallmist vergoren wird, ist die Bilanz weitaus günstiger. Allerdings ist dann die Ausbeute drastisch reduziert. Mais hat den nicht ersetzbaren Vorteil, eine hohe Konzentration an leicht verfügbaren Kohlenhydraten zur Verfügung zu stellen. Im organischen Landbau wird vielfach Kleegras oder Klee-Luzernegras als Substrat für Biogasanlagen genutzt. Die Düngung mit mineralischem Stickstoff und damit ein Teil der Energieaufwendungen entfällt hier, was die Energiebilanz verbessert. Aber die relativ hohen Eiweißgehalte und die im Verhältnis dazu niedrigeren Kohlenhydratgehalte können die Gasausbeute reduzieren und den technischen Betrieb der Anlage in Frage stellen.
In der wissenschaftlichen Diskussion ist dieser Sachverhalt und sind die Konsequenzen davon wohl bekannt. Die Konsequenz ist nämlich, daß der Anbau dieser Energiepflanzen mit der Freisetzung hoher Mengen an Treibhausgasen, vor allem Kohlendioxid und Lachgas verknüpft ist.
Reay et al. (2012) formulierten diesen Sachverhalt in der Nature- Zeitschrift, „Climate Change“ wie folgt: „Expanded bioenergy programs can in turn increase terrestial carbon emissions globally…Increased production of first-generation energy crops may also increase N2O-emissions as large areas of these crops are fertilized to maximum production.”
Warum erhöht der Anbau von Energiepflanzen die CO2-Emission aus den Böden? Der Anbau von Pflanzen wie Mais oder Zuckerrübe führt zu einem verstärkten Netto-Abbau der organischen Bodensubstanz. Das abgebaute C wird als CO2 in die Luft abgegeben.
Darüber hinaus führt die in der Regel sehr hohe Stickstoffdüngung zu den Energiepflanzen wie z.B. Raps, Mais und Zuckerrübe zu hohen Nitratgehalten in den Böden und in der Folge zu hohen Freisetzungsraten von Lachgas. Die Freisetzung von Lachgas wird zusätzlich noch befeuert durch Bodenverdichtung nach Einsatz schwerer Maschinen, also wirkt hier der Prozess der Industrialisierung der Landwirtschaft verstärkend. Eine von Reay et al. (2012) mit der Formulierung „first-generation- energy plants“ angedeutete Entwicklung einer Treibhausgas-neutralen Kultivierung von Energiepflanzen gibt es bis heute nicht und ist auch nicht absehbar.
Zusammenfassend bedeutet das für den Beitrag europäischer Böden zur Emission von Treibhausgasen, daß deren Bilanz noch in den Jahren 2000-2005 nahezu neutral war. Die Entwicklung vor allem durch den Energiepflanzenanbau und die Intensivierung der Landwirtschaft machen Europas Böden zu einer signifikanten Quelle der Treibhausgasemissionen (Schulze et al., 2010; Oertel et al., 2016). Und diese Entwicklung wird durch die Energiepflanzenprogramme der aktuellen Bundesregierung noch beschleunigt. Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung wird zum Treiber der Treibhausgasemissionen.
Das gepflegte Image der Politiker als Klimaschützer ist nicht haltbar, es ist falsch. Zum einen steht hinter dem Energiepflanzenanbau auf Acker- und Grünland der Verbrauch von Erdöl und Erdgas, zum anderen wird durch die politischen Weichenstellungen die Emission von CO2, N2O und CH4 aus der Landwirtschaft so erhöht, daß diese zum Treiber erhöhter Treibhausgasemissionen wird.
Nachhaltigkeit der Landwirtschaft insgesamt
Es wurde gezeigt, daß die Frage nach dem „Klimaschutz“ immer nur im Kontext der Nachhaltigkeit insgesamt gestellt werden kann.
Und zu einer umfassenderen Betrachtung der Nachhaltigkeit gehört neben der energetischen Nachhaltigkeit die Nachhaltigkeit bei der Bewirtschaftung von Rohstoffen und Nachhaltigkeit bei der Vermeidung von Schadstoffen, die das Leben auf dem Planeten erschweren oder unmöglich machen.
Nachhaltigkeit der Rohstoffbewirtschaftung in der Landwirtschaft
Dieser Aspekt soll nur ausschnittweise hier behandelt werden, letztlich mit dem Ziel zu zeigen, daß dieser Aspekt in den politischen Entscheidungen seit Jahrzehnten keine Rolle spielt.
In der Landwirtschaft ist dabei der nachhaltige Umgang mit den mineralischen Pflanzennährstoffen, den Hauptnährstoffen, N, P, K, Ca, Mg und S, sowie essentiellen Mikronährstoffen wie Fe, Zn, Cu, B oder Cl. Alle diese Elemente sind für das Pflanzenwachstum notwendig, fehlt eines dieser Elemente so gibt es kein Pflanzenwachstum. In seinen Reserven ist das Hauptelement Phosphor (P) weltweit am stärksten begrenzt. Diese Reserven werden je nach Literaturquelle auf 30-120 Jahre geschätzt (s. dazu die umfassende Studie von Cordell und White, 2014). Die Landwirtschaft verbraucht ca. 80-85% der weltweit geförderten P-Rohstoffe.
Es gibt viele landwirtschaftlich genutzte Böden, die ein hohes P-Defizit aufweisen. Neben der Versauerung ist P-Mangel in den Böden weltweit der am stärksten begrenzende Wachstumsfaktor. Die P-Mangelböden liegen vor allem in den Tropen und Subtropen, wo einerseits eine P-Düngung seit Jahrzehnten aus monetären Gründen unterbleibt und andererseits die Böden P fest und vielfach nicht pflanzenverfügbar binden (rote Böden zeichnen sich darin besonders aus). Zusätzlich wird durch den globalen Export landwirtschaftlicher Produkte diesen Böden P entzogen, das in den pflanzlichen Exportprodukten gebunden ist. Ein markantes Beispiel ist der Sojaimport in die EU. Die EU insgesamt importiert jährlich Sojaeiweiß in Höhe von 40 Millionen Tonnen Sojabohnen (Deutschland allein von 7 Millionen Tonnen), das nahezu vollständig zur Eiweißversorgung der landwirtschaftlichen Tierhaltung, also zur Erzeugung von Milch, Eiern, und Fleisch benötigt wird. Ein Teil dieser Sojaimporte kommt aus Südamerika, Argentinien, Brasilien, Paraguay. Dies sind Länder mit z.T. ausgeprägt P-armen Böden. Mit dem in den Sojabohnen enthaltenen P werden die Böden in der EU, die schon teilweise P-überdüngt sind, weiter mit P aufgedüngt und in Südamerika verarmen die Böden weiter an P.
Die einzig rationale Reaktion auf diese globale Nährstoffmißwirtschaft kann nur die Etablierung regionaler Stoffkreisläufe sein, statt einer globalisierten Landwirtschaft mit globalen Stoffströmen. Die permanente Fehlbewirtschaftung der P-Reserven weltweit kann, wenn die globalen Nahrungsmitteltransporte weiter vorangetrieben werden, zu einer Zunahme von Hunger führen, eben aufgrund knapper P-Versorgung der Kulturpflanzen in vielen Regionen der Erde. In der Politik der jetzigen und der vergangenen Regierungen ist das noch nicht einmal ernsthaftes Thema.
Wenn man darüber hinaus die 20% der Ackerflächen in Deutschland für die Energiepflanzen für den Anbau von Eiweißpflanzen wie Bohne, Erbse oder Lupine nutzen würde, und gezielt Futterleguminosen wie Luzerne oder Klee in der Haustierfütterung einsetzen würde, so würde die Eiweißlücke geschlossen und die Notwendigkeit der Sojaimporte entfallen.
Insofern bedroht der Energiepflanzenanbau hier global die P-Versorgung der Kulturpflanzen.
Vermeidung von Schadstoffen als dritter Aspekt der Nachhaltigkeit
Die Produktion von Kunststoffen und der daraus resultierende Anfall von Abfallkunststoffen steigt seit Jahrzehnten nahezu exponentiell an. Ein Übersichtsartikel zu Kunststoffen in Böden wurde kürzlich in der Wissenschaftszeitschrift Plants veröffentlicht. Die Produktion der Kunststoffe wird von rund 390 Millionen Tonnen im Jahr 2022 auf geschätzt 1,23 Milliarden Tonnen im Jahr 2060 steigen (Meszaros et al., 2023). Über 90% dieser Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt und sind praktisch nicht biologisch abbaubar. Von den anfallenden Abfallkunststoffen gelangen rund 30% in die Böden, vor allem in landwirtschaftlich genutzte Böden (Meszaros et al., 2023). Dort werden diese durch mechanische Eingriffe und durch UV- Strahlung zunehmend zerkleinert, sodaß daraus erst Mikro- und dann Nanoplastik entsteht. Nanopartikel können von Pflanzen aufgenommen werden und in deren essbare Teile translokiert werden (Meszaros et al., 2023). Die Plastikkonzentration in menschlichem Blut beträgt heute schon im Mittel 1,6 µg/l (Meszaros et al., 2023). Die gesamte mit der „Energiewende“ hochgefahrene und weiter expandierende Kette Elektromotor/Elektrogenerator benötigt große Mengen an Kunststoffen als Träger, Isolator und als Baustein. Diese Art der „Energiewende“ heizt die steigende Kunststoffproduktion noch mehr an. Dagegen ist das dekorative Verbieten von Kunststoffstrohalmen der gegenwärtigen Regierung nichts als eine Ablenkung vom Problem. Die drastische Steigerung der Plastikproduktion führt zur Anreicherung in den Böden und Gewässern in den Pflanzen und im Plankton und den Fischen.
Die Kunststoffkontamination sollte ein zentraler Diskussionsgegenstand im Rahmen der Energiediskussion sein. Eine solche Diskussion findet allenfalls in kleinen Zirkeln statt, nicht in einem breiten öffentlichen Diskurs.
Literatur
Im Folgenden werden nur die für die Sachverhalte zentralen Publikationen aufgelistet, die im Übrigen fast alle im Netz in voller Länge auffindbar sind.
Cordell and White (2014), Environ. Res., 39, 161- 168.
Ghavam et al. (2021), Front Energy Res., 9: 580808.
Gruhl, H. (1975): Ein Planet wird geplündert. Fischer.
Körschens et al. (2014), Arch. Agron. Soil Sci., 60, 1485- 1517.
Meszaros et al. (2023), Plants, 12: 3282.
Oertel et al. (2016), Geochemistry, 76, 327- 352.
Paustian et al. (1997), Soil Use Manage., 13, 230- 244.
Reay et al. (2012), Nature cli. Change, 2, 410- 416.
Sirigina et al. (2022), Front Chem. Eng., 4: 838265.
Smith et al. (2020), Energy Environ. Sci., 13, 331- 344.
Smith et al. (2021), Phil Trans. R. Soc. A, 379: 20200451.
Schulze et al. (2010), Glob. Change Biol., 16, 1451- 1469.
Wang et al. (2021), Agronomy, 11: 70.
Weber et al. (2018), J. Soils Sediments, 18, 2665- 2667.
Comments